Donnerstag, 23. April 2009
Sie haben dich nicht bekommen
Der Tag war schön, die Sonne schien und die Strassen von Buenos Aires waren voller geschäftiger Menschen. Du hast das wunderschöne Stadtviertel San Telmo besucht und bist erschöpft, aber entspannt am frühen Abend auf dem Weg nach Hause um dir ein Abendessen zu bereiten.

Du siehst ihn schon von 100m Entfernung. Er steht gelangweilt an der Ecke mit einem glühenden Kippenstummel in der Hand. Er trägt die immer gleichen abgerissenen Nike-Sneaker, den dunkelblauen, dreckigen, zu grossen Pullover und eine ebenfalls dreckige, schon viel zu lange getragene Trainingshose. Seine Augen suchen die Strasse ab und treffen für einen kleinen Augenblick die deinen. Du selbst nimmst ihn eher unbewusst war, zu gewöhnlich scheint er auf den ersten Blick. Seine Haltung verändert sich. Er richtet sich auf, drückt den Kippenstummel an der Wand aus und schnippst ihn von sich. Als du dich der Ecke näherst...

Es ist der immer gleiche heuchlerische Gesichtsausdruck. Das gleiche unechte, gönnerhafte Lächeln, die leicht hochgezogene Oberlippe, die schiefe und unsaubere Zähne und graues Zahnfleisch erahnen lässt, die Augen, die gierig deinen Körper mustern, die fettige Frisur aus kurzen, schwarzen Haaren, die ihm über der Stirn hängt. Kurz: Die immer gleiche Visage, die einen in Grauen versetzt, wenn sie sich einem so zielstrebig wie jetzt nähert.

Er ist jetzt nur noch 50 cm entfernt, legt dir seinen Arm auf die Schulter, schaut dir in die Augen und "begrüsst" dich mit einem ¡pequeño!. Aus deinen Augenwinkeln siehst du zwei ähnliche Gestalten, deren Gesichter du nicht mehr wahrnimmst, auf dich zukommen. Er zögert einen Augenblick zu lange, er glaubt sich im Überraschungsmoment, sein Grinsen ist breit und du kannst fast seinen Mundgeruch erahnen.

Zu spät stellt er fest, dass deine Muskeln angespannt sind und du alles andere als unvorbereitet bist. Du stösst die perplexe Gestalt Nr. 2 mit dem rechten Arm weg, ziehst mit dem anderen deinen Rucksack an deine Seite, drehst dich unter seinem Arm weg und legst einen Zahn zu.

Über deine Schulter siehst du flüchtig drei wütende Gestalten, die dir ein hijo de puta hinterher rufen, das du aber schon nur noch aus einiger Distanz hörst.

Der bewusste Teil deines Gehirns kommt erst jetzt bei dir an und schnürt dir die Kehle zu. Du bleibst stehen, schüttelst den Kopf, atmest tief durch und gehst gemächlichen Schrittes zu deinem Hostel, welches nur noch zwei Block weiter ist.

Du setzt dich auf die Couch im Gemeinschaftsraum, öffnest eine der grossen 1L Flaschen "Quilmes", das du mittlerweile zu mögen gelernt hast, stösst mit dem kleinen, tätowierten Argentinier an, der zwar kaum 3 Sätze Englisch spricht, dir aber schon 3 Bier spendiert hat und gewinnst bei den Simpsons schnell deine Entspannung zurück. In deinen Gedanken bleibt ein Satz hängen: Sie haben dich nicht bekommen.

Das hämische pequeño verfolgt dich bis in deine Träume und noch dreimal wachst du auf, bis gnädig der Morgen graut.

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okay awesome
Ich habe dich bereits bei deiner Abreise davor gewarnt zu enge Kontakte mit der BA Unterwelt zu pflegen. Aber mich freut, dass du dich ihrem Zugriff hast entziehen können und unversehrt geblieben bist. Plus, du hast eine seehr spannende Geschichte erlebt. Ich hoffe, du wirst die nächsten Tage unbehelligt bleiben und klärst uns noch darüber auf, was pequeno bedeutet. Ps: Klasse geschrieben ;)

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pequeño heisst einfach klein, oder in dieser Situation vermutlich einfach "Na, Kleiner?".

Danke fürs Lob :)

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Ganstalife
Man das geht ja zur sache bei euch, aber cool wie du sie alle genatzt hast. Witzig wäre wenn du am ende deiner reise am rand einer straße stehen und kleine touristen abziehen würdest.

Zumindest müssen wir uns ja keine sorgen mehr machen, wenn du dann wieder hier bist und wir irgendwo in berlin weggehen: Mark kann jede situation klären... awesome

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pendejos...
Gut reagiert, gut geschrieben :)

Nur dass du das Bild von dem Steak posten musst nehm' ich dir n bischen übel, pequeno ;)

Grüße, lass es dir gut gehn.

chosch basch ;)

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