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Donnerstag, 7. Mai 2009
untitled
pils, 02:11h
Augen auf. Jetzt vorsichtig den Stein links greifen. Scheisse, der rutscht. Nach vorne lehnen, den rechten Fuss etwas höher setzen. Er hält. Abdrücken und mit dem rechten Arm abstützen. Aufrichten. Umdrehen. Wow.
Was zur Hölle machst du hier eigentlich?
-- Ein letztes Frühstuck in BA genommen, sich von Nicolas herzlich verabschiedet, der fast jeden Abend mit dir über alles mögliche in seinem langsamen, vorsichtigen Englisch geredet hat, ab ins Taxi und zum Flughafen "Jorge Newbery".
Der Taxifahrer ist wie alle argentinischen Autofahrer leicht suizidal veranlagt, aber das ist hier halt so und so lange man nicht nach vorne guckt, oder nicht zur Seite wenn der Reisebus so nahe kommt oder die Augen schliesst und an rosa Häschen denkt, macht das alles nichts.
Die Sonne glitzert über dem braunen ...Wasser (wird hier nur mangels eines besseren Ausdrucks verwendet), das vom Rio del Plata in die Bucht von Buenos Aires gespült wird. Noch schnell einen café con leche con medialunas verdrückt und ab ins Flugzeug.
4 Stunden Flug sind gar nichts, wenn man genug zu denken hat und so kann ich schon bald den unbeschreiblichen Anflug auf Ushuaia geniessen. Der Flughafen ist winzig, besitzt ganze 3 Gates und man darf vom Flugzeug über den Flugplatz um Flughafengebäude laufen. 8º und Windstärke 4 beissen sich durch den Pullover (wer kann schon damit rechnen, dass es am Ende der Welt kalt ist?) und das erste Mal durchatmen nach 2 1/2 Wochen versmogtem Buenos Aires (es lebe die Ironie) ist unvergleichlich.
-- "Are you alright?" rufe ich dem kleinen Mexikaner zu, der nur Sneakers und keine Socken trägt. "Yeah yeah" sagt er, während sein rechter Fuss abrutscht. Ich lege mich hin und rutsche vorsichtig auf der Mischung aus Schnee, Eis, Moos und losen, rutschigen, kleinen Steinen tiefer. Ich finde Halt, gebe ihm meine Hand und helfe ihm bis zum nächsten festeren Stein. "Thanks" - "Nevermind. Come on." - "OK." Worte sind hier sehr spärlich gesäht.
-- Ushuaia hat einfach mehr Himmel als andere Orte.
Ich komme am Free Style Hostel an und werde von Rasta-Max begrüsst. Rasta-Max ist ein Rastafari und heisst Max, was einiges erklärt. Check-In, kurze Einführung, ich bin schon viel relaxter als bei meinem ersten Mal in BA, es wirkt schon alles sehr vertraut, dabei bin ich gerade mal 3 Wochen unterwegs.
Rhasta-Max trägt meine Sachen ins Zimmer, umarmt mich und sagt in seinem starkem Patois-Englisch "Welcome to da family."
-- Es wird erheblich steiler. Der Schweizer ist schon ein ganzes Stück vor uns, der macht das vermutlich auch nicht zum ersten Mal. Der Weg über die Steine wird zu rutschig, besonders für den Mexikaner. Wir steigen in den 50 cm tiefen Schnee mit unseren Jeans , der aber wenigstens Halt bietet. Es sind höchstens noch 100 m. Allerdings aufwärts.
Alle paar Minuten kommt ein Wind auf, der seines Gleichen sucht. Bewegung wird unmöglich, es hilft nur die Mütze tiefer zu ziehen, den Rücken gegen den Wind zu stellen und auszuharren. Doch er geht auch so schnell wie er gekommen ist und hinterlässt nur Bänder aus fliegendem Schnee in der Luft.
--Der kleine Mexikaner Huri (man spricht das "H" nicht) liegt auf dem Bett und spielt an seinem iPhone rum. Er scheint nett zu sein und erklärt sich bereit mit mir was essen zu gehen, obwohl er schon satt ist. Auf dem Weg aus dem Hostel treffen wir Christian. Huri und Christian haben schon die vergangen Tage miteinander verbracht und Christian hat ebenfalls Hunger.
Ein kleiner Moment der Stille folgt bis ich begreife das Christian Schweizer ist und mich auf Deutsch anspricht. Mein Gehirn lebt seit 3 Wochen in Englisch und Spanisch und ist nicht darauf gefasst irgendwelche deutschen Worte zu hören. Wir fangen an zu lachen und ich mag die beiden sofort.
--Es wird nun so steil das man sich nur noch auf allen Vieren vorwärts bewegen kann. Das Wetter ist gnädig mit uns, hat es doch den ganzen Morgen geregnet. Nur: Was im Tal Regen ist, ist hier Schnee und deshalb kommt uns die Auflockerung sehr entgegen. Noch 50m. Der Mexikaner fällt immer weiter zurück, die Kälte beisst sich in seine Füsse und wird ihn so schnell nicht los lassen. Wer jedoch ein echter Wahnsinniger ist, lässt sich von solch Kleinigkeiten nicht irritieren.
Ich sage: "Let's get to that stone up there and then we take a break." - "Ok."
Die mitgebrachte Cola wird zum Lebensretter, der Flüssigkeitsmangel wird langsam spürbar. Die Steine sind jedoch zu kalt um lange Rast zu machen. Zwei Schluck Cola und ein Blick in die Bucht in der das Wasser in unglaublichem Blau glitzert. Die Farben und das Licht hier sind fast unwirklich, wobei jedoch die Mischung aus Müdigkeit, Erschöpfung, Alkohol und eiskalter Luft daran nicht ganz unschuldig sein dürfte.
Die Wirklichkeit kehrt mit dem Hinweis auf einen verdammt kalten Arsch zurück und meint das hier nicht unbedingt der beste Platz zum rasten ist. Wir geben ihr recht und sagen synchron "Let's go on".
--Toast mit Tomaten und Basilikum und sorrentinos de jamon y queso con salsa de verdeo füllen das riesige Loch in meinem Magen langsam. Der Mexikaner trinkt zum ersten Mal Warsteiner und ist begeistert, ich trinke Quilmes, weils billig ist und der Schweizer eine Art Patagonisches trübes Hefe mit einem starken Malzgehalt und ungewöhnlichem Nachgeschmack.
Nach drei Bier beschliessen wir im Hostel weiter zu trinken, ist dann doch irgendwie billiger.
Rhasta-Max legt Snoop Dogg, Sean Paul und Bob Marley auf, die Literflaschen Quilmes stapeln sich auf dem Tisch im Gemeinschaftsraum und der Nachschub scheint unerschöpflich (später erfahre ich das wir alles in allem tatsächlich die Vorräte des Hostels gekillt haben).
Maximilliano setzt sich zu uns, ein argentinischer Sportlehrer mit einem beeindruckenden Kreuz und Oberarmen. Gegen 1 werden die Gespräche ernsthafter, der Sportlehrer spricht leider kein Englisch, will sich mit mir aber trotzdem über Nitzsche unterhalten, was Huri, der für uns dolmetscht, ein wenig überfordert. Wieviele Flaschen haben wir schon? 5? 6?
Bei Nummer 8 kommen wir dann auf Heidegger, Nazis, Gott und Zeit zusprechen. Es muss 4 oder 5 Uhr sein, es ist immer noch stockduster draussen. Maximilliano will mit mir eine Partie ajedrez (Schach) spielen, ich bin zu schwach um mich weigern und bewege zufällig Figuren. Nach 7 Zügen fehlen mir beide Läufer und ein Springer und ihm zwei Bauern. Ich gebe auf und wir belassen es beim Bier trinken.
Gegen 7 beschliesse ich zu Bett zu gehen. Saufen bis in die Morgenstunden an deinem ersten Tag am Arsch der Welt? Ne... reicht langsam, ab in die Heia. Huri und Christian weisen mich darauf hin, dass sie morgen um 13 uhr respektive um 15 Uhr nach BA fliegen, Christian aber noch unbedingt auf den Glaciar Martial wollte.
Jetzt? - Ja, jetzt, warum denn nicht? - Auf einen Gletscher steigen? - Klar. - Bei dem Wetter? - Du hast doch wohl vernünftige Schuhe. - Vergisses... nuschele ich und ziehe meinen Schlafanzug an.
Ich kehre zurück und treffe die beiden in voller Ausrüstung im Eingangsbereich.
Ihr geht wirklich? - Ja, was dachtest du denn? ...
Ego und Alkohol besiegen Verstand und Müdigkeit mit einem gezielten Streich und ich gehe zurück ins Zimmer um mich umzuziehen.
10 Minuten später schnappen wir uns die ersten Happen des Fühstücks und weitere 10 Minuten später treten wir nach draussen in das morgendliche und, ehrlich gesagt, ziemlich unwirtliche Ushuaia.
Vom Fuss des Berges schnappen wir uns ein Taxi zum Beginn des Pfades zum Gletscher, wir sind zwar bekloppt, aber 3km Serpentinen latschen muss ja dann auch nicht sein.
Der Mexikaner sieht zum ersten Mal Schnee ganz in echt und beginnt seine erste Schneeballschlacht. Ich bin immer noch nicht ganz erwärmt aber der erste Schneeball der mich trifft, schreit nach blutiger Rache. Mittlerweile hat der Regen aufgehört, die Sonne scheint auch langsam aufzugehen, die Bucht bleibt jedoch Wolkenverhangen. Der Aufstieg beginnt. Unsere Geschwindigkeit ist erbärmlich, unterbrochen von zahlreichen Fotoshootings, Schneeengeln des Mexikaners und etwaigen Schneeball-Gefechten.
-- Wir sind oben. Auf dem Hügel, der uns so sehr die vergangene halbe Stunde gequält hat. Die Wolken werfen eine Schneise bis zum Horizont, die Berghänge zur rechten Seite sind hell beleuchtet, das Wasser glitzert nun golden, während das Umland von Ushuaia in einem dunklen Grün erstrahlt. Der Wind hält an und das einzige Geräusch ist das entfernte Plätschern des kleinen Baches, an dem wir vorbeikamen.
Müdigkeit und Verstand bedanken sich bei Alkohol und Ego und beschliessen dankenswerter Weise ihren Tribut erst im Tal zu zollen. Ich schaue zu Huri und Christian und ihre lächelnden Gesichter deuten auf ähnliche Gedanken. Der Rückweg führt uns diesmal durch 0.50-1.50m tiefen Schnee, was die Hosenbeine in Eisblöcke verwandelt (vermutlich ebenso wie Huris Füsse) aber erheblich lustiger ist als über rutschige Steine zu klettern. Der Weg wirkt im Sonnenschein wie verwandelt; das leuchtende Orange und Rot des Süd-Herbstes zeigt sich in den Bäumen und je tiefer man kommt desto mehr braunen Matsch erhält man anstelle von weissem Schnee. Wir kehren in die Realität zurück.
Im Hostel verabschiede ich die beiden mit einer Umarmung. Wir kennen uns kaum 18 Stunden, aber vergleichbares habe ich bisher mit wenigen geteilt. Eigentlich schade, andererseits... ich könnte kaum glücklicher sein und für Reue ist hier beileibe kein Platz. Macht's gut ihr beiden. Dankeschön, muchas gracias und gute Reise.
Was zur Hölle machst du hier eigentlich?
-- Ein letztes Frühstuck in BA genommen, sich von Nicolas herzlich verabschiedet, der fast jeden Abend mit dir über alles mögliche in seinem langsamen, vorsichtigen Englisch geredet hat, ab ins Taxi und zum Flughafen "Jorge Newbery".
Der Taxifahrer ist wie alle argentinischen Autofahrer leicht suizidal veranlagt, aber das ist hier halt so und so lange man nicht nach vorne guckt, oder nicht zur Seite wenn der Reisebus so nahe kommt oder die Augen schliesst und an rosa Häschen denkt, macht das alles nichts.
Die Sonne glitzert über dem braunen ...Wasser (wird hier nur mangels eines besseren Ausdrucks verwendet), das vom Rio del Plata in die Bucht von Buenos Aires gespült wird. Noch schnell einen café con leche con medialunas verdrückt und ab ins Flugzeug.
4 Stunden Flug sind gar nichts, wenn man genug zu denken hat und so kann ich schon bald den unbeschreiblichen Anflug auf Ushuaia geniessen. Der Flughafen ist winzig, besitzt ganze 3 Gates und man darf vom Flugzeug über den Flugplatz um Flughafengebäude laufen. 8º und Windstärke 4 beissen sich durch den Pullover (wer kann schon damit rechnen, dass es am Ende der Welt kalt ist?) und das erste Mal durchatmen nach 2 1/2 Wochen versmogtem Buenos Aires (es lebe die Ironie) ist unvergleichlich.
-- "Are you alright?" rufe ich dem kleinen Mexikaner zu, der nur Sneakers und keine Socken trägt. "Yeah yeah" sagt er, während sein rechter Fuss abrutscht. Ich lege mich hin und rutsche vorsichtig auf der Mischung aus Schnee, Eis, Moos und losen, rutschigen, kleinen Steinen tiefer. Ich finde Halt, gebe ihm meine Hand und helfe ihm bis zum nächsten festeren Stein. "Thanks" - "Nevermind. Come on." - "OK." Worte sind hier sehr spärlich gesäht.
-- Ushuaia hat einfach mehr Himmel als andere Orte.
Ich komme am Free Style Hostel an und werde von Rasta-Max begrüsst. Rasta-Max ist ein Rastafari und heisst Max, was einiges erklärt. Check-In, kurze Einführung, ich bin schon viel relaxter als bei meinem ersten Mal in BA, es wirkt schon alles sehr vertraut, dabei bin ich gerade mal 3 Wochen unterwegs.
Rhasta-Max trägt meine Sachen ins Zimmer, umarmt mich und sagt in seinem starkem Patois-Englisch "Welcome to da family."
-- Es wird erheblich steiler. Der Schweizer ist schon ein ganzes Stück vor uns, der macht das vermutlich auch nicht zum ersten Mal. Der Weg über die Steine wird zu rutschig, besonders für den Mexikaner. Wir steigen in den 50 cm tiefen Schnee mit unseren Jeans , der aber wenigstens Halt bietet. Es sind höchstens noch 100 m. Allerdings aufwärts.
Alle paar Minuten kommt ein Wind auf, der seines Gleichen sucht. Bewegung wird unmöglich, es hilft nur die Mütze tiefer zu ziehen, den Rücken gegen den Wind zu stellen und auszuharren. Doch er geht auch so schnell wie er gekommen ist und hinterlässt nur Bänder aus fliegendem Schnee in der Luft.
--Der kleine Mexikaner Huri (man spricht das "H" nicht) liegt auf dem Bett und spielt an seinem iPhone rum. Er scheint nett zu sein und erklärt sich bereit mit mir was essen zu gehen, obwohl er schon satt ist. Auf dem Weg aus dem Hostel treffen wir Christian. Huri und Christian haben schon die vergangen Tage miteinander verbracht und Christian hat ebenfalls Hunger.
Ein kleiner Moment der Stille folgt bis ich begreife das Christian Schweizer ist und mich auf Deutsch anspricht. Mein Gehirn lebt seit 3 Wochen in Englisch und Spanisch und ist nicht darauf gefasst irgendwelche deutschen Worte zu hören. Wir fangen an zu lachen und ich mag die beiden sofort.
--Es wird nun so steil das man sich nur noch auf allen Vieren vorwärts bewegen kann. Das Wetter ist gnädig mit uns, hat es doch den ganzen Morgen geregnet. Nur: Was im Tal Regen ist, ist hier Schnee und deshalb kommt uns die Auflockerung sehr entgegen. Noch 50m. Der Mexikaner fällt immer weiter zurück, die Kälte beisst sich in seine Füsse und wird ihn so schnell nicht los lassen. Wer jedoch ein echter Wahnsinniger ist, lässt sich von solch Kleinigkeiten nicht irritieren.
Ich sage: "Let's get to that stone up there and then we take a break." - "Ok."
Die mitgebrachte Cola wird zum Lebensretter, der Flüssigkeitsmangel wird langsam spürbar. Die Steine sind jedoch zu kalt um lange Rast zu machen. Zwei Schluck Cola und ein Blick in die Bucht in der das Wasser in unglaublichem Blau glitzert. Die Farben und das Licht hier sind fast unwirklich, wobei jedoch die Mischung aus Müdigkeit, Erschöpfung, Alkohol und eiskalter Luft daran nicht ganz unschuldig sein dürfte.
Die Wirklichkeit kehrt mit dem Hinweis auf einen verdammt kalten Arsch zurück und meint das hier nicht unbedingt der beste Platz zum rasten ist. Wir geben ihr recht und sagen synchron "Let's go on".
--Toast mit Tomaten und Basilikum und sorrentinos de jamon y queso con salsa de verdeo füllen das riesige Loch in meinem Magen langsam. Der Mexikaner trinkt zum ersten Mal Warsteiner und ist begeistert, ich trinke Quilmes, weils billig ist und der Schweizer eine Art Patagonisches trübes Hefe mit einem starken Malzgehalt und ungewöhnlichem Nachgeschmack.
Nach drei Bier beschliessen wir im Hostel weiter zu trinken, ist dann doch irgendwie billiger.
Rhasta-Max legt Snoop Dogg, Sean Paul und Bob Marley auf, die Literflaschen Quilmes stapeln sich auf dem Tisch im Gemeinschaftsraum und der Nachschub scheint unerschöpflich (später erfahre ich das wir alles in allem tatsächlich die Vorräte des Hostels gekillt haben).
Maximilliano setzt sich zu uns, ein argentinischer Sportlehrer mit einem beeindruckenden Kreuz und Oberarmen. Gegen 1 werden die Gespräche ernsthafter, der Sportlehrer spricht leider kein Englisch, will sich mit mir aber trotzdem über Nitzsche unterhalten, was Huri, der für uns dolmetscht, ein wenig überfordert. Wieviele Flaschen haben wir schon? 5? 6?
Bei Nummer 8 kommen wir dann auf Heidegger, Nazis, Gott und Zeit zusprechen. Es muss 4 oder 5 Uhr sein, es ist immer noch stockduster draussen. Maximilliano will mit mir eine Partie ajedrez (Schach) spielen, ich bin zu schwach um mich weigern und bewege zufällig Figuren. Nach 7 Zügen fehlen mir beide Läufer und ein Springer und ihm zwei Bauern. Ich gebe auf und wir belassen es beim Bier trinken.
Gegen 7 beschliesse ich zu Bett zu gehen. Saufen bis in die Morgenstunden an deinem ersten Tag am Arsch der Welt? Ne... reicht langsam, ab in die Heia. Huri und Christian weisen mich darauf hin, dass sie morgen um 13 uhr respektive um 15 Uhr nach BA fliegen, Christian aber noch unbedingt auf den Glaciar Martial wollte.
Jetzt? - Ja, jetzt, warum denn nicht? - Auf einen Gletscher steigen? - Klar. - Bei dem Wetter? - Du hast doch wohl vernünftige Schuhe. - Vergisses... nuschele ich und ziehe meinen Schlafanzug an.
Ich kehre zurück und treffe die beiden in voller Ausrüstung im Eingangsbereich.
Ihr geht wirklich? - Ja, was dachtest du denn? ...
Ego und Alkohol besiegen Verstand und Müdigkeit mit einem gezielten Streich und ich gehe zurück ins Zimmer um mich umzuziehen.
10 Minuten später schnappen wir uns die ersten Happen des Fühstücks und weitere 10 Minuten später treten wir nach draussen in das morgendliche und, ehrlich gesagt, ziemlich unwirtliche Ushuaia.
Vom Fuss des Berges schnappen wir uns ein Taxi zum Beginn des Pfades zum Gletscher, wir sind zwar bekloppt, aber 3km Serpentinen latschen muss ja dann auch nicht sein.
Der Mexikaner sieht zum ersten Mal Schnee ganz in echt und beginnt seine erste Schneeballschlacht. Ich bin immer noch nicht ganz erwärmt aber der erste Schneeball der mich trifft, schreit nach blutiger Rache. Mittlerweile hat der Regen aufgehört, die Sonne scheint auch langsam aufzugehen, die Bucht bleibt jedoch Wolkenverhangen. Der Aufstieg beginnt. Unsere Geschwindigkeit ist erbärmlich, unterbrochen von zahlreichen Fotoshootings, Schneeengeln des Mexikaners und etwaigen Schneeball-Gefechten.
-- Wir sind oben. Auf dem Hügel, der uns so sehr die vergangene halbe Stunde gequält hat. Die Wolken werfen eine Schneise bis zum Horizont, die Berghänge zur rechten Seite sind hell beleuchtet, das Wasser glitzert nun golden, während das Umland von Ushuaia in einem dunklen Grün erstrahlt. Der Wind hält an und das einzige Geräusch ist das entfernte Plätschern des kleinen Baches, an dem wir vorbeikamen.
Müdigkeit und Verstand bedanken sich bei Alkohol und Ego und beschliessen dankenswerter Weise ihren Tribut erst im Tal zu zollen. Ich schaue zu Huri und Christian und ihre lächelnden Gesichter deuten auf ähnliche Gedanken. Der Rückweg führt uns diesmal durch 0.50-1.50m tiefen Schnee, was die Hosenbeine in Eisblöcke verwandelt (vermutlich ebenso wie Huris Füsse) aber erheblich lustiger ist als über rutschige Steine zu klettern. Der Weg wirkt im Sonnenschein wie verwandelt; das leuchtende Orange und Rot des Süd-Herbstes zeigt sich in den Bäumen und je tiefer man kommt desto mehr braunen Matsch erhält man anstelle von weissem Schnee. Wir kehren in die Realität zurück.
Im Hostel verabschiede ich die beiden mit einer Umarmung. Wir kennen uns kaum 18 Stunden, aber vergleichbares habe ich bisher mit wenigen geteilt. Eigentlich schade, andererseits... ich könnte kaum glücklicher sein und für Reue ist hier beileibe kein Platz. Macht's gut ihr beiden. Dankeschön, muchas gracias und gute Reise.
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